Panorama satt: Lyngenalpen

Im Bann von Norwegen

Rad-Stopp mit Skandinavien-Enthusiast Dieter Fröhlich

Neun Wochen war Dieter Fröhlich im Sommer 2019 auf dem Rad durch Norwegen unterwegs. Von Kirkenes, ganz im Norden und nahe der russischen Grenze, bis zum südlichsten Zipfel. Etwa 3.000 Kilometer hat der 71-Jährige gebürtige Hamburger, der heute im südhessischen Dreieich lebt und sich dort als ehrenamtlicher Radverkehrsbeauftragter engagiert, zum Schluss zusammengestrampelt. 

Herr Fröhlich, Sie waren jetzt schon zum dritten Mal auf einer mehrmonatigen Fahrradtour in Skandinavien. Was reizt Sie am Norden? 

Dieter Fröhlich: 1972 reiste ich zum ersten Mal nach Skandinavien, damals mit einem Renault 4 und Zelt. Wir waren zu viert und wollten ursprünglich nach Elba, also in die Gegenrichtung. Warum wir uns dann anders entschieden, weiß ich nicht mehr. Wie fuhren einfach los, ohne uns zu informieren. Umso mehr war ich von der Landschaft und der Weite beeindruckt. 

In Norwegen gab es Momente, da traute ich meinen Augen nicht. Auch die Lichtverhältnisse fand ich sehr interessant und natürlich die hellen Sommernächte. Das Land hatte mich sofort in seinen Bann gezogen. Daran haben später auch Schlechtwetterphasen nichts ändern können.  

Mittlerweile reichen meine norwegischen Sprachkenntnisse aus, um mich in der Landessprache verständigen zu können. Dadurch lernte ich auch die Menschen besser kennen und machte die interessante Erfahrung, dass in der Landessprache geführte Gespräche irgendwie mehr Tiefe hatten.

Sie sind nördlich des Polarkreises gestartet. Zwei Monate lang, zwischen Mitte Mai und Mitte Juli, geht dort die Sonne nicht unter. Wie sind sie mit der ständigen Helligkeit umgegangen? 

Die andauernde Helligkeit war ein Hauptgrund dafür, dass ich mich die längste Zeit dieser Reise in einer Region aufhielt, in der es wochenlang nicht dunkel wird. Einen Vorgeschmack hatte ich auf früheren Reisen bekommen, war aber nie so lange nördlich des siebzigsten Breitengrades wie dieses Mal. Ich wollte nachfühlen, wie Körper und Geist mit dieser Situation umgehen und natürlich wollte ich den Luxus auskosten, zu jeder Tageszeit bei Helligkeit unterwegs sein zu können. 

Das Gefühl, bei Dunkelheit auf einer einsamen Landstraße unterwegs zu sein, empfinde ich als nicht besonders prickelnd. So aber setzte ich mich auch mal nach einem leckeren Abendessen aufs Rad und fuhr in die helle Nacht hinein, solange ich Lust hatte.

Die andauernde Helligkeit empfand ich sehr angenehm. Schlafen konnte ich jedenfalls gut. Nach harten Etappen fielen mir abends bereits die Augen zu, wenn ich noch meinen Tagesbericht tippen wollte. 

Wie sieht ihr Gepäck bei so einer Reise aus?  

Mein Reiserad sieht nicht spektakulär aus, ist jedoch in allen Bereichen etwas stabiler als „normale“ Räder. Obwohl es keinen Elektroantrieb hat, ist es kein Leichtgewicht. Lieber will man auf so einer Reise etwas robustere als zu leichte Komponenten, die oft auch empfindlicher sind.

Mein Gepäck – Taschen hinten und vorne und die Packrolle mit Zelt sowie vollen Trinkflaschen – wog bei der Abreise 30 Kilogramm. Auf eigenes Kochgeschirr verzichtete ich, aber meine Spiegelreflexkamera musste mit. 

Meine Packliste hat sich im Laufe der Jahre stetig verändert und ich nehme heute weniger mit als früher. Sicherlich ginge es auch noch spartanischer, aber diesbezüglich treibe ich es nicht weiter auf die Spitze. Wahrscheinlich muss ich deshalb bei heftigen Steigungen einige Meter früher absteigen als andere, aber einige Schritte zu laufen und dabei andere Muskeln zu beanspruchen ist auch nicht verkehrt.

Hochgeschoben. Und dann mit diesem Blick belohnt.
Hochgeschoben. Und dann mit diesem Blick belohnt.

Wasserdicht oder wärmend? Was war wichtiger auf Ihrer Reise?

Beim Radeln in dieser Region ist der Schutz vor Wind und Regen wichtiger als die wärmende Eigenschaft der Kleidung. Die Topografie des gesamten Landes ist wellig bis bergig. Dann kommt noch der Wind hinzu. Da läuft auch bei Temperaturen unter 10°C schnell der Schweiß. 

Wichtig ist, dass die Kleidung schnell wieder trocknet, am Leib wie auf der Leine nach der Wäsche. Deshalb hatte ich bis vor Kurzem hauptsächlich sogenannte Funktionskleidung aus Kunstfasern dabei. Nicht so bei dieser Reise. Moderne Sportkleidung aus Merinowolle trocknet fast ebenso schnell, trägt sich aber viel angenehmer. Besonders auf Reisen, bei denen ich nicht an jedem Abend die Möglichkeit habe, die durchgeschwitzten Klamotten zu waschen, hat die Naturfaser für mich einen weiteren Vorteil: Ich kann sie durchaus noch einmal anziehen, weil sie so gut wie keinen Körpergeruch annimmt.

Wärmende Kleidung wird dann wichtig, wenn ich nicht im Sattel sitze. Eine kurze Pause am Wegesrand, und schon beginnt der Körper auszukühlen. Wenn kalter Wind den ungeschützten, schweißnassen Körper trifft, fängt man sich schnell eine Erkältung ein. Mir passierte das nicht.

Windgeschützt! - Ein Platz an der Sonne.
Windgeschützt! – Ein Platz an der Sonne.

Auf ihrem Weg hatten Sie oft auch mit Gegenwind, Kälte und langen Anstiegen zu kämpfen. – Wie motivieren Sie sich in solchen Situationen?

Durch meine zahlreichen Reisen in Skandinavien zu allen Jahreszeiten weiß ich, was auf mich zukommen kann. Trotzdem gab es Situationen, in denen ich mich fragte, was ich hier eigentlich mache. Ein Beispiel von meiner Radreise in 2015: Irgendwo an der Westküste zwischen den Fjorden musste ich mal wieder schieben, weil die Steigung sehr steil und nicht die erste an diesem Tag war. Ich hatte bereits einen halben Tag Regenfahrt hinter mir und der Regen spülte den Schweiß von der Stirn in die Augen. Das brannte sehr und ich konnte kaum die Augen offenhalten, aber zu sehen gab es ohnehin nicht viel. Dicke, graue Regenwolken hingen tief und die Berge waren genauso grau wie der Fjord. Deprimierend. Ich war ziemlich fertig. Wäre ein Taxi vorbeigekommen, hätte ich mein Rad in den Fjord geworfen und mich zum nächsten Flughafen fahren lassen. 

Zum Glück kam kein Taxi. Am nächsten Tag schien herrlich die Sonne, auf den Bergen glitzerte der Schnee und die Landschaft war atemberaubend. Das gibt dann wieder Motivation für die nächsten Anstrengungen.

3.000 Kilometer im Sattel – so eine Strecke geht nicht ohne Pannen aus, oder?  

Es sind weniger die Kilometer, sondern die Höhenmeter, die Beschaffenheit der Straßen und Wege und das höhere Gesamtgewicht (Rad, Mensch, Gepäck), die hohe Anforderungen an das Material stellen. Da ist es ratsam, während der Reise hin und wieder zu prüfen, ob noch alle Schrauben und Muttern fest sitzen, ob genügend Luft auf den Reifen ist und so weiter. Bei dünner Besiedelung sollte man nicht davon ausgehen, dass im nächsten Ort ein Zweiradmechaniker bereitsteht. Bei dieser Reise hatte ich zum Glück keine ernsthaften, technischen Probleme, nicht einmal einen Platten.

Würden Sie Norwegen radfahrerfreundlicher als Deutschland bezeichnen? 

Unbedingt. Ich glaube, das hat etwas mit der Mentalität der Nordländer zu tun. Das Land ist dünner besiedelt, jeder einzelne Mensch hat hier mehr Platz für sich und irgendwie geht alles entspannter zu, eben auch im Straßenverkehr. Vielleicht geht man auch generell respektvoller miteinander um, auf jeden Fall mit einem Reiseradler wie mir. Das spürte ich auch in den Gesprächen mit den Menschen; je weiter nördlich ich unterwegs war, desto stärker. 

Hinzu kommt wohl, dass viele Skandinavier noch ein wenig Wikingerblut in den Adern haben. Wenn dann so ein Rentner mit voll bepacktem Rad mutterseelenallein ihr schönes Land bereist, ziehen sie innerlich schon mal den Hut. So etwas Verrücktes zu tun, finden sie einfach gut.

Auch mit den norwegischen LKW-Fahrern, mit denen ich mir die teilweise sehr schmalen Landstraßen teilen musste, machte ich gute Erfahrungen. Wenn sie überholten, nutzten sie die gesamte Straßenbreite, um den Abstand zu mir so groß wie möglich zu halten. Wenn das nicht möglich war, bremsten sie und fuhren solange hinter mir her, bis ein Überholen mit ausreichendem Abstand möglich war. Vielleicht lernen sie in der Fahrschule, die in Norwegen Verkehrsschule heißt, auch etwas anderes über den respektvollen Umgang mit schwächeren Verkehrsteilnehmern. 

Die Saltstaumenbrücke nahe Bode - eine Herausforderung für Radler.
Die Saltstaumenbrücke nahe Bode – eine Herausforderung für Radler.

Und jetzt – sind Sie schon wieder auf dem Sprung? Haben Sie konkrete Radlpläne für 2020? 

Reisepläne schwirren immer in meinem Kopf herum, aber in 2020 werde ich hauptsächlich mit meiner Frau verreisen, mit und ohne Rad. Gemeinsam haben wir bereits viele schöne Radreisen unternommen, auch in Südskandinavien, aber die Nordland-Touren lässt sie mich lieber alleine machen. 

Eines der Ziele auf meiner Liste ist die norwegische Helgelandsküste, also die Region zwischen Trondheim und Bodö, aber dort nicht das Festland, sondern die vielen kleinen Inseln vor der Küste, allesamt nur mit Fähren zu erreichen und manche kaum bewohnt. Vielleicht 2021 oder 2022.

Lykke til und viele weitere, spannende Radreisen! 

(alle Fotos im Artikel: Dieter Fröhlich, Dreieich)

Veröffentlicht in Wanderungen und Reisen.

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